Am 29. Jänner hatten wir in Zlan ganz außergewöhnlichen Besuch: Eine Gruppe von Hutterern war aus rund zwanzig verschiedenen Kolonien aus dem Bundesstaat Manitoba, Großraum Winnipeg, Kanada, angereist und machte Station in der Gemeinde, bevor sie nach Tirol weiterreisten.

Nach der Begrüßung durch Pfarrerin Andrea Mattioli und den Bürgermeister Hans Jörg Kerschbaumer erklärte Kurator Jakob Kircher die wechselvolle Geschichte der hiesigen Evangelischen in der Zeit der Gegenreformation, die Gründung der Zlaner Gemeinde und ihre Anfänge und stellte die Kirche vor.

Die Vorfahren der Hutterer stammen aus der hiesigen Gegend, vor allem um Amlach und Kleinsass. Sie gehörten zu einer Gruppe Protestanten, die unter Maria Theresia nach Siebenbürgen deportiert wurden, sich dort der Täuferbewegung der Hutterer angeschlossen und diese maßgeblich mitgeprägt haben. Von Siebenbürgen aus ging es im Lauf der Geschichte nach Russland, und als sie auch dort nicht mehr wohlgelitten waren, emigrierten sie im 19. Jahrhundert nach Nordamerika. Heute leben sie vor allem in Kanada, wo sie ihren eigenen Lebensstil pflegen. Bekannt sind ihre Namen auch heute noch: Kleinsasser, Amlacher, Wipf, Waldner.

Die Hutterer leben in Kolonien, von denen es in Kanada etwas 200 gibt. In einer Kolonie wohnen maximal 100-150 Personen, Männer, Frauen, Kinder, in ihren Familien und in der Gemeinschaft aller. Sie praktizieren Gütergemeinschaft, Erwachsene bekommen ein geringes Taschengeld von ein paar Dollar im Monat. Wollen sie Anschaffungen tätigen, müssen sie bei der Gemeinschaft darum ansuchen. Diese wird geleitet von einem Ältestenrat, der nur aus Männern besteht. Überhaupt pflegen sie ein sehr traditionelles Rollenbild, Frauen versorgen die Kinder, den Haushalt, putzen und kochen und haben keine offiziellen Ämter. Auch unsre Gästegruppe bestand nur aus Männern, die Frauen hatten sie zu Hause gelassen. Die Familien erwirtschaften selbst in Landwirtschaft und Handwerk, was sie brauchen, unterhalten zwar Geschäftsbeziehungen, aber ansonsten haben sie wenig Kontakt nach außen, das wollen sie auch gar nicht. Denn draußen ist man gefährdet, da lauert die schlechte Welt mit Kino, Tanz, Fernsehen und Bars. All das ist tabu. Die Gemeinschaft lebt sehr abgeschottet, Fernsehen, Radio, Tanz und Unterhaltung lehnen sie ab, nur Smartphones haben sie in Gebrauch, sehen diese aber auch als Gefährdung an.

Ihre Kinder unterrichten sie in eigenen Schulen. Mit 15 Jahren gelten die Jugendlichen als erwachsen und beginnen zu arbeiten in der Land- wirtschaft und im Handwerk. Wer eine akademische Ausbildung anstrebt, muss die Gemeinschaft verlassen, nach „draußen“ gehen mit allen Konsequenzen. Allerdings kann man die Gemeinschaft auch verlassen, ohne dass es einem übelgenommen wird, und kann jederzeit wieder zur Festen etc in die Familien zurückkehren.

Will man aber wieder dauerhaft aufgenommen werden, ist das ein größerer Prozess der Bewährung. So ist der Lebensweg im Grunde schon vorgezeichnet. An erster Stelle steht die Gemeinschaft, dann erst kommt der Einzelne. Hutterer suchen sich auch ihre Ehepartnerinnen und -partner nicht von „draußen“, sondern innerhalb der Glaubensgemeinschaft in einer anderen Kolonie. Passt es zusammen, dann wird umgesiedelt und Hochzeit gefeiert. Das Glaubensleben hat einen hohen Stellenwert. Zu Tisch, wo alle Männer, Frauen und Kinder der Kolonie zusammenkommen und je getrennt nach Geschlechtern sitzen und essen, wird gebetet, jeden Abend um sechs treffen sie sich zum gemeinsamen Gebet und sonntags zum Gottesdienst. Man hört ihre Herkunft noch deutlich an ihrer Sprache, die sie sich über die Jahrhunderte erhalten haben: ein Kärntner-Tiroler Dialekt ist Alltagssprache neben dem Englischen, ihre Gottesdienstsprache ist ein sehr altertümliches Deutsch. So hat die Verständigung unter uns gut geklappt und auch persönliche Gespräche wurden rege geführt. Sie erzählten sie von ihrem Alltagsleben in den Kolonien, von den Schwierigkeiten einer solchen Gemeinschaft in der heutigen Gesellschaft, von der richtigen Balance zwischen Abgrenzung nach außen und der Notwendigkeit, Beziehungen nach draußen zu führen. Hier hätte man noch lange weiterreden können!

Ein gemeinsames Lied in der Kirche und ein Segenswort schloss den Besuch ab. Beschenkt mit einem Gesangbuch der Zlaner Gemeinde und gestärkt mit einem Stamperl Obstler bestieg die Gruppe den Bus eines Amberger Landmaschinenherstellers, der sie eingeladen hatte und sie in ihrem strammen Zeitplan begleitete. Doch es wurden auch Gegeneinladungen ausgesprochen und Adressen ausgetauscht, so dass der Kontakt nicht abbrechen wird.

Ein Besuch, der keine Stunde gedauert hat und doch sehr lange noch nachklingt bei allen, die dabei waren, und der uns deutlich machte, wie sehr wir über alle Grenzen hinweg doch verbunden sind und bleiben in Jesus Christus, dem alleinigen Herrn der Welt. Wie gerufen passend dazu der Wochenspruch der Besuchswoche: Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes (Lk 13, 29).